Wasser
Alle bösen Menschen trinken Wasser. (S’egur D’ Aguesseau)
Obwohl die Schiffer keine bösen Menschen waren, tranken sie meist Wasser. Sie überbrühten einen Löffel voll gerösteter Gerstenkörner und ein paar Krümel von getrockneten Feigen und nannten das Getränk dann Kaffee. Sie sagten aber auch „Negerschweiß“ oder „Arschbackenbrühe“ dazu. Ohne diesen Kaffee wäre das harte Brot, das es allzu oft gab, nicht zu beißen gewesen.
Manchmal kam es vor, dass die Schiffer in Hamburg auf dem Kai grüne Kaffeebohnen aufpickten, wenn ein Kaffeesack ein Loch gehabt hatte und diese auf den Fußboden perlten. Dann gab es richtigen Kaffee zum Frühstück, zwar ebenso dünn wie der „Negerschweiß“, doch er stimmte feiertäglich.
An den Liegeplätzen, wo es meist auch eine Schenke gab, holten die Schiffer nach langer Fahrt eine Kanne Bier. Die Branntweinflasche jedoch, die immer mit fuhr, blieb gut verkorkt. Nur an grimmigen Eistagen, wenn der Wind über den Kahn pfiff und ins Gesicht schnitt, wurde ein Schluck genommen, ehe die Lebensgeister gänzlich erstarrten. Damit wäre alles aufgezählt und die Getränkekarte erschöpft.
Trinkwasser schätzte der Schiffer als wertvolles Gut und ging gebührend sparsam damit um. Es machte ihm einige Mühe, denn keiner brachte es ihm. Wer jahrelang auf dem Strom von Böhmen bis zur See leben musste, kannte bald die klaren Gebirgsbäche und die reinen Quellen des Tieflandes, und er richtete seine Tagesreisen so ein, dass der Ankerplatz bei einer guten Wasserstelle lag.
Bei dem Dorfe Krippen im Elbsandsteingebirge kommt ein eiskaltes Bächlein von der Höhe herunter, das sich mit kristallklarem Wasser in die Elbe ergießt. Hier warfen die Kähne stets Anker, um Wasser zu holen. Auf dem Vordeck, wo die Treppe zur „Bude“ der Decksleute hinunter führte, und ebenso hinten, wo der Schiffer wohnte, standen eichene Wasserfässer, die einhundert Liter zu fassen vermochten. Oft verzierten blanke Messingbänder die schön ebenmäßig gearbeiteten ovalen Fässer. Im Spundloch steckte ein hölzerner Wasserhahn, und oben befand sich ein viereckiges Loch zum Einfüllen mit ebensolchem Deckel. Heutigentags wären diese Fässer sicherlich beliebte Sammlerstücke, die vorzüglich in stilvolle Wohnungen passten. Mit einer Trage, aus zwei Stangen und zwei Querhölzern gebaut, wurde das Fass an Land zum Bächlein getragen. Mit Hilfe eines leinenes Tuches, welches das Einfüllloch überspannte, konnte das Wasser behutsam durchgeseiht werden. Nun aber kam das schwerste Stück Arbeit, wog das Fass doch mehr als zwei Zentner und musste über den Landgang, ein bloßes starkes Brett, auf den Kahn geschafft werden. Bei flachem Ufer und hoch aufragendem Kahn, konnte das schwere Fass nicht bewältigt werden. Dann hieß es, das Wasser mit Eimern hinaufzutragen.
Unter den Postelwitzer Felswänden sprudelt eine kräftige Quelle, die köstliches Trinkwasser gibt. Die Schiffer machten sich gern die Mühe, dutzende Mal mit ihren Eimern zu laufen, um gerade dieses Wasser zu haben.
Im Tiefland, wo der Strom breit dahin zieht und nur wenige Orte unmittelbar an seinen Ufern liegen, gibt es die guten Wasserstellen seltener. In den Wäldern bei dem Städtchen Aken streben klare Rinnsale der Elbe zu. Nur ein fester Weg fehlte seit je. Die Schiffer fuhren mit dem Kleinen Kahn, ihrem Beiboot, dorthin, um das Wasser zu holen. So geschah das auch an den Elbhöhen bei Hitzacker.
In Tangermünde, in Wittenberg und an anderen Orten mehr, standen eiserne Plumpen, die Trinkwasser spendeten. Hier ging es oft unterhaltsam zu, denn kaum legte ein Kahn an und die Schiffer begannen Wasser zu tragen, erschienen die Nachbarn, meist alte Schiffer, die selbst ein Arbeitsleben lang Wasser geschleppt hatten. Dann wurden Elbgeschichten erzählt. Man kannte sich seit Großvaters Zeiten und hatte die Mützen freundlich geschwenkt, wenn man sich irgendwo zwischen Böhmen und Hamburg begegnete.
Bei sommerlicher Hitze legten die Schiffer Hanfsäcke auf die Fässer und gossen Elbwasser darüber. So blieb ihr Trinkwasser angenehm kühl. Winters aber, wenn scharfer Frost den Kahn mit Raureif überzog und schon dünnes Eis auf dem Fluss trieb, musste das Trinkwasserfass in Sicherheit gebracht werden. Mit vereinten Kräften schaffte man es die schmale Treppe, die mehr einer Leiter glich, in die Bude hinunter, wo es dann warm stand.
Jeder hatte gelernt, mit dem Wasser sinnig umzugehen, es gehörte zu den Lebensmitteln, kostenlos zwar, doch nicht mühelos. Allen anderen Lebensbedürfnissen diente das Flusswasser, die Schiffer wuschen sich und ihre Wäsche damit, und nicht selten kochten sie auch die Pellkartoffeln darin.
Der Fluss diente als Toilette in Gottes freier Natur, die nicht den geringsten baulichen Aufwand erforderte. Die Bordwand selbst eignete sich als Sitz. Nur im Hafen oder wo es sich sonst nicht geziemte, benutzte man einen Holzeimer, der einen Schwall Elbwasser enthielt. Der Eimer mit bösem Namen wurde in die Elbe entleert, worauf sein Inhalt wieder am allgemeinen Kreislauf des Wassers teilnahm.
Viel Wasser floss die Elbe hinunter, ehe es Trinkwassertanks, Wasserhähne und gar Duschkabinen auf den Schiffen gab.