Vorwort – Mein Sohn, die Rauschgifte und ich

Ein bekannter Schriftsteller, Wolfgang Körner, der sich in seinem Buch mit dem Thema Rauschdrogen befasst schrieb: „Wer über Drogen schreibt, sollte zuerst Auskunft darüber geben, weshalb gerade er über dieses Thema schreibt und was er damit zu tun hat.“ Für uns beide ist das einfach. Er schrieb: „Ich habe mein ganzes Leben mit Drogen gelebt, und ich lebe in einer Gesellschaft, die ich mir so ohne Drogen nicht vorstellen kann.“

Nach dieser Aussage möchte ich den Begriff Drogen klären. In einem Lexikon oder Duden können wir Folgendes finden: Drogen sind Rohstoffe zur Bereitung von Arzneien bzw. durch Trocknen gewonnene Produkte von Pflanzen, weniger von Tieren. Der Begriff „Droge“ kommt aus dem französischen bzw. niederländischen Sprachgebrauch.

Nach der Klärung dieses Begriffes stimme ich Wolfgang Körner zu. Die ganze Menschheitsgeschichte hat sich mit Drogen entwickelt, sei es um Krankheiten zu heilen oder um Glaubensrituale abzuhalten. Bis zum heutigen Tage sind Drogen aus unserem Alltag nicht weg zu denken. Völlig anders ist meine Antwort wenn es um Rauschdrogen bzw. Rauschgifte geht. Es sind Substanzen, die über das zentrale Nervensystem in die natürlichen Abläufe des Körpers eingreifen. Stimmungen, Gefühle und Wahrnehmungen werden beeinflusst. Dies kann eine Abhängigkeit zur Folge haben. Ich habe mein Leben lang ohne Rauschgifte gelebt. Ich bin in einer Gesellschaft aufgewachsen in der Rauschgifte kein großes Thema waren, mal abgesehen von der Rauschdroge Alkohol. Das unterscheidet Menschen in meinem Alter die im Osten Deutschlands aufwuchsen von denen, die im Westen groß wurden.

Es kam der Tag, an dem unser Deutschland nicht mehr geteilt war. 1989 wurde mein Wendekind, ein Sohn geboren. Das zweite meiner drei Kinder. Ich ahnte damals nicht, dass ich mich dreizehn Jahre später mit dem Thema Rauschgifte befassen muss. Ich ahnte nicht, dass ich die Mutter eines Drogenkindes und Dealers werden sollte. Ich sah nicht voraus, dass bereits heute jeder zweite Jugendliche Rauschdrogen probiert und dass es bereits heute Prophezeiungen gibt, dass im Jahr 2100 die Zahl der Süchtigen in der Gesellschaft die Zahl der Nichtsüchtigen übertreffen. Diese Aussage und die damit verbundenen gesundheitlichen Probleme für uns Menschen haben mich bewogen , die Geschichte und meine Gefühle in einem Buch niederzuschreiben.

Man stelle sich nur vor, im Jahre 2100 sitzen in der Nachtschicht auf dem Revier bekiffte Polizisten, oder der Arzt, der in seiner Freizeit LSD nimmt, wird plötzlich zum Einsatz gerufen… Unmöglich? Übertrieben? Nach diesen Vorhersagen für die Menschheit mit ihrer Entwicklung, in der es nur noch um Geld geht, keineswegs. Gleichzeitig stellt sich die Frage nach dem Sinn des Lebens, der Entwicklung der Menschheit und unserer Gesellschaftsordnung. Ich selbst bin suchtfrei und habe niemals Rauschdrogen genommen. Alkohol trinke ich selten. Ich bin Nichtraucher. Dadurch war ich tatsächlich der Meinung, dass meine Kinder von Süchten frei ihren Lebensweg gehen werden. Doch genau in diesem Punkt hatte ich mich geirrt. Ich hatte ein Drogenkind. Obwohl ich Rauschgifte ablehne, musste ich sie an mich heranlassen.

Ich musste über sie lesen. Ich musste mit den Menschen reden, die sie nehmen. Ich musste helfen und gleichzeitig gegen sie in den Kampf ziehen. Es war ein Balanceakt, den ich für mich nie für möglich gehalten hätte. Ich habe meine Vorurteile abgeschafft. Ich habe meine Einstellung geändert. Ich habe mein Leben geändert. Ich bin gewachsen in diesem Prozess. Eins musste ich nie ändern. Die Liebe zu meinem Sohn. Wahrscheinlich hätten wir es beide ohne sie nie geschafft. Nicht die Vollkommenen, sondern die Unvollkommenen brauchen Liebe. Oscar Wilde Bücher können nicht viel ändern. Sie sollen den Leser zum Nachdenken anregen. Dieses Buch soll Hilfe und Stütze sein neben all den Dingen, die heute in Suchtberatungen, Jugendämtern und sonstigen Anlaufstellen angeboten werden.

Ich schreibe es für all die, die mit Rauschgiften zu tun haben, vor allem aber für betroffene Eltern und Angehörige. Ich kenne ihre Gefühle, ihre Sorgen, Nöte und Ängste. Es ist mir klar, dass sich die Generationen verschieben werden und wir an einen Punkt kommen, wo es kaum noch Eltern geben wird, die ihren Kindern keine eigenen Erfahrungen über Rauschdrogen vermitteln können. Ich denke, bereits die Nachwendekinder werden damit aufwarten können.